»Gesammelte Untertreibungen« – Ein Raum unsentimentalen Erinnerns im Frankfurter Literaturhaus gewidmet als ständige Installation der Persönlichkeit und dem Wirken des Frankfurter Kabarettisten und Schriftstellers Matthias Beltz (1945–2002)
Für Matthias Beltz war Frankfurt am Main seit der politisch brisanten Zeit der Studentenbewegung über viele Jahrzehnte hinweg Lebensmittelpunkt und Inspirationsheimat – nicht zuletzt wegen der hier bis heute immer noch lebendigen Nachwirkung der »Kritischen Theorie«. Auf Initiative seiner Witwe Christiane Meyer-Thoss wurde seit ca. drei Jahren zusammen mit der Leiterin des Literaturhauses Maria Gazzetti und dem 2003 gegründeten Verein Matthias Beltz e.V. über die Idee der Einrichtung einer öffentlich zugänglichen Mediathek und Materialien- und Büchersammlung von Beltz’ Schaffen im neueröffneten Frankfurter Literaturhaus nachgedacht. Nachdem die »Stiftung Archiv der Akademie der Künste« in Berlin den gesamten schriftlichen Nachlaß des Künstlers als Schenkung zur Archivierung erhalten hat, wollte man sich in Frankfurt auf den Bühnenkünstler, Erfinder von Talkshows, Variété-Conférencen und unzähligen Radiosendungen konzentrieren.
Mit Unterstützung des Vereins und anderer Förderer soll fast das komplette private Archiv mit Video- und Audiobändern von Beltz aus seinem Nachlaß durch professionelle Digitalisierung gesichert werden. Eine repräsentative Auswahl steht dann den an lebendiger politischer Zeit- und Stadtgeschichte interessierten Bürgern in der neu errichteten »Mediathek« zur Verfügung. Der in Frankfurt lebende und seit 2001 an der Städelschule als Professor tätige Künstler Tobias Rehberger gehörte zum weiteren Freundeskreis von Matthias Beltz und konnte als »Ausstatter« für diesen Raum gewonnen werden.
Gemeinsam mit dem Kunstliebhaber und Wahlbelgier Michael Callies und Christiane Meyer-Thoss hat Tobias Rehberger die Auswahl von Fotos und Plakaten getroffen, sie für den Raum arrangiert, sowie die notwendigen Möbel und Regale ausgesucht und bearbeitet. Rehbergers Raum-Konzept folgt der Vorstellung von einem »gemütlichen, romantischen Studierzimmer« des intellektuellen Bühnenkünstlers, dessen Mobiliar – in den Raum gezogen – sein Pathos abgibt und stattdessen unterkühlte Künstlichkeit, Distanz gewinnt: »Gesammelte Untertreibungen«.
Als Leihgabe der Witwe enthält der Raum außerdem:
- Eigene Buchveröffentlichungen und wichtige Einzelbeiträge in Anthologien und Zeitschriften;
- eine beispielhafte Dokumentation von Beltz’ s Arbeitsweise anhand von einzelnen ausgewählten Arbeits- und Materialmappen, handschriftlichen Manuskripten für Kabarettprogramme und Theaterstücke (z.B. »Frankfurter Verlobung«);
- zwei von Beltz »gebastelte« Manuskriptbücher für den Gebrauch beim Auftritt;
- Fotos und Plakate an den Wänden;
- persönliche Büchersammlungen, u.a. von Heiner Müller, Ernst Jünger, Carl Schmitt, Hannah Arendt;
- Materialsammlungen zur politischen Geschichte Frankfurts und der BRD (u.a. Ordner und Flugblätter zur RAF);
- Materialsammlung zur Geschichte des Kabaretts: Bücher, LPs, CDs;
- eine Serie von Zeichnungen (»Schlachtfelder«) von Tobias Rehberger.
Die Kosten für die gesamte Ausstattung und Gestaltung des Raums werden vom Matthias Beltz e.V. übernommen; ebenso stiftet der Verein die Abspielgeräte, den Monitor, DVD- und CD-Player. Der Raum wird auch für andere kleinere Veranstaltungen genutzt, soll keiner Huldigung und heiligen Andacht in Zusammenhang mit Matthias Beltz dienen.